Anarchistische Fabrik Text etwa 20 Jahre alt

23. März 1993, Dienstag 08:42 Uhr

Zusammenfassung: Auch Anarchisten können nicht zaubern. Sie können keine Fabrik schaffen, in der Maschinen mehr produzieren als anderswo. Ihnen verkauft auch niemand über die normalen Einkaufswege deswegen irgendwas billiger und welcher übliche Kunde zahlt schon mehr, wenn wir uns ein großes A im Kreis auf die Wand malen. Aber wenn wir es gut finden, so miteinander zu arbeiten, alles möglichst effektiv gestalten, unsere Fantasie einsetzen, sinnvoll die Vorprodukte selbst herstellen, über eigene Filialen direkt verkaufen, bleibt viel mehr in unserem Kreislauf. Durch Tausch können wir andere Produkte ohne Zwischenverdiener entsprechend günstiger erhalten und auf den Rückfahrten von den Filialen fast umsonst transportieren. Wenn wir dazu noch außerhalb der Fabrik vieles wieder selbst machen, weil uns das so gefällt und Gemeinsamkeiten bringt, wir miteinander kommunizieren und ein gutes Gefühl haben, daß wir mit unseren eigenen Dingen umgehen, wird sich die Notwendigkeit über die Fabrikarbeit Geld zu verdienen, immer mehr reduzieren. Aber da ist dann auch wirklich eine Trennung nötig zwischen dem, was wir machen, weil es ein Teil unseres gemeinsamen Lebens ist und dem was wir nach außen tun, um dieses Leben zu ermöglichen. Vernetzt Leben heißt, vieles gemeinsam nutzen was sich sonst jeder Einzelne anschaffen müßte, oder nutzen was durch Firmen öffentliche Einrichtungen oder Projekte sowieso da ist. Was interessiert bei gleicher Lebensqualität noch der sinnentleerte Begriff Lebensstandard, der falsche Traum vom mir allein verfügbaren, zusammengerafften, gehorteten Reichtum an Geld, Ansprüchen, Gebäuden, Einrichtungen, Fahrzeugen und Gerät, das nur dem Einzelnen oder der isolierten Kleinfamilie zur Verfügung steht. Gemeinsam nutzen heißt, auch darüber zu kommunizieren, auch auf die Mitnutzer zu treffen.

Die Fabrikeinrichtungen können auch anderen Zwecken dienen. zB Räume, Fahrzeuge, Büroeinrichtung. Flexibel können Arbeitszeiten auch sonstigen Aktivitäten und dem persönlichem Lebensrythmus angepaßt werden. Jeden Nachmittag kommt der Gabelstapler und räumt die grosse Halle für alle möglichen Zwecke frei und am Wochenende ist es Theater, Sporthalle oder Rockpalast. Wenn wir nur noch höchstens 5 Std jeden Tag eine sinnvolle Arbeit in der Fabrik machen, die uns nicht verstreßt und wir auch sonst machen, was wir wollen oder uns dahin entwickeln, wohin wir wollen, brauchen wir viel weniger Frust auszugleichen. Wichtig ist dabei das Gefühl, daß wir auch wirklich da sind, wo wir leben wollen. Daß wir auch mit den Menschen zusammen sind, mit denen wir gemeinsam arbeiten wollen, daß wir Sachen herstellen, die wir nützlich finden, auf eine Weise, die wir für sinnvoll halten. Natürlich wären wir alle nicht in der Fabrik, wenn wir damit nicht unseren Anteil am gesellschaftlich notwendigen Gesamtprodukt erarbeiten würden. Wäre unsere Arbeit nicht nötig, würden wir sofort die Maschinen verschrotten oder sonstwie entsorgen und nur dem Lustprinzip oder dem leben, was wir für schön und richtig erachten. Unser Projektanarchismus ist von vornherein eine lustbetonte Politik. Wir stehen nicht ständig unter einem moralischen Druck äußeren Normen zu genügen. Wir versuchen unseren eigenen Ansprüchen soweit gerecht zu werden, wie das mit unserer Lebensform vereinbar ist, mit dem momentanen Stand unserer materiellen und organisatorischen Möglichkeiten, dem Lernprozeß jedes Einzelnen, für der Entwicklung in der Gruppe und der Integration von Neuen. Auch müßte bei weiterer Entwicklung die Teilung von Urgruppen stattfinden oder Umstrukturierung von Gruppenprozessen wie in Kaufungen, wenn von der Grösse her Formen des Miteinander anders nicht mehr funktionieren. Die vielen Aufgaben, die sich uns stellen, wenn wir die Fabrikidee entwickeln, können keine Ausrede sein uns der Ausbeutung weniger entwickelter Länder zu verschließen, von denen wir auch profitieren. Den Anteil an unserem Reichtum durch billige Rohstoffe, der aus der Ausbeutung weniger technisch entwickelter Länder stammt, müssen wir auch wieder zurückgeben, auch wenn das für uns heißt, jeden Tag eine halbe Stunde mehr zu arbeiten. zB wenn wir zu Solidarpreisen aus deren Kooperativen kaufen. Unsere ökologischen Ansprüche lassen nicht jede Effektivität zu. Etliche Vorprodukte und Rohstoffe scheiden aus diesen Gründen aus, auch wenn sie billiger und einfacher zu bearbeiten sind. Auch wollen wir keine Energieverschwendung! Vernetzte Erzeugung von Strom und Wärme, möglichst aus regenerierenden Quellen wie Sonne, Wind und Holzreste. Wir wollen uns während der Arbeit auch nicht verstressen, sondern danach noch richtig Lust auf andere Aktivitäten haben. Auch die erst mittags mit der Arbeit anfangen, weil sie die Morgenstunden frei und kreativ für sich brauchen. Also kann unsere Fabrik nicht nach kapitalistischen Verwertungskriterien optimal wirtschaftlich sein, aber da muß eine ganz sorgfältige Kontrolle erfolgen, welches die wirklich stichhaltigen Gründe sind, Effektivität nicht auszunutzen, wo wir vordergründig romantisieren oder uns ein Gruppenprozeß oder Amositäten und Vorurteile, die wir noch nicht rational überwunden haben, daran hindern, zu einer sinnvollen Effektivität zu kommen. Das gleichen wir durch folgende Faktoren aus: Wir stellen nur sinnvolle Produkte her, die keiner Mode unterworfen sind und sparen uns so viel Leerlauf. Unsere Kunden wissen, daß wir gute, langlebige Waren haben und bezahlen das auch. Verantwortung für sein Tun muß jeder Mensch und jede Gruppe selbst tragen. Darum dürfen Gruppen nur so groß sein, daß für jeden einzelnen durchschaubar ist, was die anderen machen und er sich  mit jedem anderen darüber persönlich verständigen und auseinandersetzen kann. Die schönen Träume vom Ausbruch der Anarchie „und dann hat jeder Mensch plötzlich das richtige Bewußtsein und funktioniert perfekt als Gemeinschaftswesen“ mag für eine kurze Aufbruchszeit zutreffen. Aber zu leicht kommen mit dem Alltag auch die alten Gewohnheiten zurückrutschen wir wieder in alte Verhaltensweisen. Daß unangenehme Arbeiten nicht mehr getan werden müssen oder durch das Bewußtsein zu tollen Aufgaben verklärt werden und ungeheuer Freude machen ist Unfug. Unangenehme Arbeiten können natürlich anders verteilt werden, daß sich mehrere unterschiedliche Arbeiten gegenseitig ausgleichen. Prestige und Status von Berufen müssen überwunden werden. Wir sollten die Entwicklung der Anarchie nicht zu sehr mit den Erwartungen aufpoppen, daß dann jeder nur noch gute Eigenschaften hat und das auch noch ewig durchhält. Ergibt sich hier eine neue Anonymität, die den einzelnen genauso vereinzelt läßt, wie in der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft? Hat er keine Gruppe, in der er mit anderen zusammen die Ansprüche immer wieder gemeinsam stellt, die wiederum mit anderen Gruppen über gemeinsame Aufgaben vernetzt sind, wird sich der Vereinzelte rasch in frühere Fehlhaltungen zurückentwickeln. Die Vermutung, daß Eigenschaften für negative Entwicklungen im Menschen angelegt sind und das es Sache der Gruppe und Gesellschaft insgesamt ist, daß sich jeder einzelne positiv entwickeln kann und daß wer sich negativ verhält das mit seinen Mitmenschen austragen muß und nicht einer Justiz ausgeliefert wird die vordergründig für Ordnung und Rache sorgt aber den Menschen weiter in eine Fehlentwicklung treibt und ihn dort isoliert auch insgesamt nicht verhindert das sich dabei Gettos bilden. Heilung und Integration kann manchmal für eine zusammen lebende und arbeitende Gruppe (etwa 16 Menschen) zuviel sein da müssen Strukturen entwickelt werden, daß mehrere Gruppen gemeinsam solche Aufgabe tragen.

Utopie der Entstehung einer Fabrikfiliale von 1992

Veröffentlicht vonPu SchröderSchreibe einen Kommentarzu Utopie der Entstehung einer Fabrikfiliale von 1992

1.9.1992 Hannover Unterwegs erzählte Turban noch einiges über das Verhältnis von F und PA in Hannover. Vor 5 Jahren hatten einige Interessierte nach dem Bremer Modell einen monatlichen Arbeitskreis eingerichtet und in den verschiedenen Alternativbereichen Flugblätter verteilt mit den Anregungen Strukturen aufzubauen, die über den üblichen Netzwerkaktivitäten, sich mit dem Arbeiten und Wirtschaften  zu beschäftigen und dabei Geldsucher mit Unterstützern zusammenzubringen  Kontakte zwischen Betriebe zu knüpfen und auch Möglichkeiten zur Beschaffung von Staatskohle herauszufinden und die Formalitäten dafür zu managen. Wie üblich kamen die immer überall sonst auftauchenden Aktivisten hier nicht. Stattdessen aufmerksam gewordene schon halb resignierte früher mal begeisterte von den Realitäten und den Machern mit ihren ewig vorgeschobenen Sachzwängen mit denen sie jede fantasievolle Weiterentwicklung abblocken, gefrustete auf einen Ausweg oder Neuanfang die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben. Und Neueinsteiger, die noch so richtig neugierig alles beschnüffeln, die Altalternativler ablehnen und gleich eine Vorstellung von einer Gesellschaft mitbringen in der sie leben und zu der hin sie sich entwickeln wollen. Nach kurzer Zeit gab es richtig Zoff zwischen den Netzwerkern die alles auf dem alten Standard der etablierten Alternativbetriebe also Schwerpunkte Ökologie und Kollektiv lassen wollten und den PAlern, die Leben Politik und Arbeit zu einer lebendigen Einheit entwickeln wollten. DAs brachte natürlich auch die eingeschlafenen Strukturen durcheinander die nur bei gemeinsamer Werbung und Vermarktung und der Jagd nach Staatskohle aktiv wurden. Das ging bis zur Spaltungs- und Rausschmißdrohungen. Bis die Etablierten endlich merkten, das hier ein ruhigerLernprozeß anfing und keine provokativer Bruch und das die Vernetzungsvorschläge von PA ohne einen Konsens im jeweiligen Projekt/Betrieb sowieso nicht umzusetzen waren. Als die PA-Gruppe sich überlegte ein Infobüro/cafe einzurichten und die Finanzierungsfrage auftauchte kam einer mit dem Vorschlag das als Doppeltprojekt mit einer Filiale von Projekt F der Regalfabrik zu verbinden. Edwin arbeitete doch seit 6 Monaten dort mit und so wurde mit ihm und den Alternativtischlern ein gemeinsamer Termin gemacht um die Konsequenzen für den Markt in Hannover zu erörtern und mit Leuten zu reden die Interesse an der Mitarbeit in der Filiale hatten. Die Debatte wurde gleich erregt. Was das den solle Alternativbewegung und Fabrik. Ist diese Bewegung nicht angetreten um wieder die direkte Verbindung zum eigenen Machen zur Arbeit zu finden zur Selbstverwirklichung in der individuellen Anfertigung von Einzelstücken in der Tischlerei mit dem Wissen für wen man das macht“. Frage:“Aber was ist mit den vielen die sich im Aufbruch befinden die die dann erforderlichen Preise nicht zahlen können zB der Naturkostladen der wohl die 8ooo für unsere Regale hat aber nicht die 25ooo für eine Tischlerarbeit aufbringen kann  Sollen die alle weiter in Großmärkten kaufen wo keiner weiß mit was für schädlichem Material in welchen Knästen die Sachen hergestellt wurden. Wenn die neue Gesellschaft entstanden ist zu der wir uns entwickeln wollen, werden sich viele Widersprüche lösen. Es werden sich viel Produkte als überflüssig herausstellen und so verschwinden. Andere werden von den einzelnen direkten Bezügen kleinteilig angefertigt werden weil es angenehm und kommunikativ ist. Strümpfe stricken und Bücher binden Segelboote bauen. So wird viel weniger fabrikmäßig hergestellt weil es sonst unangenehm ungesund gefährlich oder stressig ist oder die Zeit es mit einer Maschine herzustellen soviel schneller ist daß die Zeit wirklich günstiger verbracht werden kann. Aber grade jetzt ist es wichtig auch hier Erfahrungen zu machen. Es kann auch in viel weniger Zeit das nötige Geld verdient werden. Wie viele Tischler können häufig nicht für Kunden arbeiten, weil die ihre Preise nicht bezahlen können. Andererseits kann die Fabrik auch Tischler mit Vorprodukten wie Einlegeböden für Schränke und verleimten Trägern beliefern. Wie die Erfahrung in Oldenburg, Delmenhorst und Bremen zeigt tun sich beide Bereiche nichts eher das über die Filiale schneller der Kunde den passenden Tischler findet wenn ihm klar geworden ist das der ihm besser helfen kann.

In Innenstadtrandlage war bald ein Laden mit Nebenräumen gefunden und für die Zwecke eingerichtet worden. Doch nach dem Ökomarkt wo sie über 5oo Prospekte verteilten und der Auslage in verschiedenen Projekten ging ein solcher Run auf die Produkte los, daß sie noch einen weiteren Werkstattraum anmieten müßten womit sich eine ungünstige Trennung von Info- und Verkaufsraum und der Endfertigung mit Auslieferung ergab. Schon nach einem Jahr hatten sie ein Wohnhaus mit Werkstatt und Hofzufahrt gefunden das teuer gemietet oder günstig gekauft werden konnte womit eine ungeheure Debatte durch die gesamte Scene losging. Netzwerk wollte sich gar nicht erst beteiligen, es sah einen Gegensatz zwischen seinen und den Prinzipien der Fabrikidee. Alles was in Esoterisch- Antroposophische Bereiche wirkte war entsetzt  über ein so grobschlächtiges Ansinnen einer Fabrik. Finanzierung war auch von dieser Seite nicht zu erwarten. Dagegen bot ein Typ der geerbt hatte den 6 verantwortlichen Projektlern an das heruntergekommene Objekt zu kaufen und ihnen ein Jahr sogar mietfrei zu überlassen und danach für eine Festmiete wenn sie alle notwendigen Instandsetzungsarbeiten Um- und Ausbauten selber anpackten  und finanzierten. Er hätte damit einen sinnvollen Zweck für seine Kohle gefunden und ihnen wäre geholfen. Der Vertrag wurde konkreter und auch mit der Fabrik in Oldenburg besprochen wie weit sie sich dem Ausbau beteiligt. Von denen kam ganz unerwarteter Widerstand. Wenn das in Hannover so gut liefe warum dann so ein Zentrum. Warum nicht dezentral in den einzelnen Stadtteilen Filialen einrichten und gleichzeitig das Konzept Stadtteilinfoladen damit verbinden. Für das Centrum würde ein Ausstellungsraum im Infoladen völlig ausreichen. Alle waren sauer auf die Fabrik was die sich in Hannover einfach so einmischt. Warum nicht dann gleich ganz selbständig und innerhalb von PA eine eigene Herstellung. über  Zusammenarbeit und Austausch könne  sich beide dann immer noch verständigen. Die Fabrikler fanden da viel heiße Luft und sahen einen Vorschlag und kein Diktat.

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