Projekt A / Wespe / von Bernd Neustadt Selbstverwaltete Betriebe
Der „Projekt A“-Entwurf entstand so um 1984 und ab 1985 ging Horst Stowasser, der Autor, mit dem frischgedruckten Buch „Das Projekt A“ an die Öffentlichkeit. Viele Leute bekamen das Buch, das damals ausdrücklich nicht in den Buchhandel gelangen sollte, persönlich überreicht, noch mehr lasen es dann. Es verbreitete sich erstaunlich schnell. Das Projekt A war ursprünglich auf die Realisierung in einer Kleinstadt angelegt. So haben wir dann auf bundes-, regional- und sachbezogenen Treffen drauflosgeplant und von der „Stadt X“, dem „Tag X“, der „Urgruppe“ und Ähnlichem geredet. Es gab auch einen Anlauf in diese Richtung, doch die dabei gemachten Erfahrungen führten z.B. vom strengen Stadt X-Konzept weg. Natürlich fällt es schwer, das „Projekt A“ auf ein paar Sätze zu reduzieren. Wird das versucht, erntet man&frau fast sofort Widerspruch. Aber das ist auch ganz gut so – finden wir. Verschiedene Leute haben verschiedene Vorstellungen über das „Projekt A“. Bestimmt aber ist das „Projekt A“ eine Denktendenz, deren Definition je nach praktischer Erfahrung immer ein bißchen anders ausfallen kann, ja, ausfallen sollte! Im Kern geht es dem „Projekt A“ um die Vermittlung der drei großen Bereiche von Leben, Arbeit und Politik. In einer Gesellschaft, in der die Trennung zwischen Freizeit und Beruf, zwischen privatem und öffentlichem Leben immer weiter vorangetrieben wird, heißt ein Weg, diese Vermittlung zu betreiben: „Vernetzung“. Etwas anders gefaßt ist das „Projekt A“ also ein beispielhafter Vernetzungsprozeß von und für Einzelleute, Gruppen, Initiativen und Projekte.
Vorstellung des „Projekt A“ während der Eröffnungsveranstaltung im Hörsaal VI Foto: Klaus Malorny
In der Alternativbewegung ging es hauptsächlich im Projekte im Sinne selbstverwalteter Kleinbetriebe, in der Kommunebewegung um Arbeiten und Leben in einer Gruppe, bei den meisten „Föderationsversuchen“ um die Zusammenarbeit politischer Kleinorganisationen. Wir wollen uns für unsere Vernetzung die ganze Palette von Möglichkeiten offen halten. Und die Einzelleute, die Individuen, die in den meisten Organisationen mehr oder weniger untergehen, stehen in der Aufzählung nicht von ungefähr am Anfang. Als direkte MitmacherInnen wurden von Anfang an (und werden auch heute noch) hauptsächlich zwei Gruppen angesprochen:
- zum einen projektinteressierte Menschen, denen es bei selbstverwalteten, ökologischen Produktionsformen um mehr geht als um eine dürftige AussteigerInnennische für arbeitslose Akademiker;
- zum anderen AnArchistInnen oder libertär eingestellte Leute – die sich nicht unbedingt so nennen müssen (!) -, die über den allzu begrenzten Kreis ihrer eigenen „Szene“ hinauskommen wollen.
„Projekt A“ beinhaltet für uns zwei große Orientierungen, die auf Projekte und die auf Anarchie. Das Wort „Orientierung“ soll sagen, daß wir aus beidem kein Dogma, keine „heilige Kuh“ machen wollen. Projekte sind soziale Experimente: Sie bedeuten für uns zum einen nicht mehr und nicht weniger als die Möglichkeit, in unserem heutigen Tun schon zu versuchen, Formen einer wünschenswerten Gesellschaft zu verwirklichen; und zum anderen die Möglichkeit uns eine eigenständige (ökonomische) Basis zu schaffen. Projektemachen hat immer etwas von Aussteigen. Wir wollen jedoch ausdrücklich unsere Projekte in dieser Gesellschaft verwirklichen. Wir sprechen von anarchistisch-libertärer Orientierung, weil wir die alten, fruchtlosen und entzweienden Diskussionen über die Anarchie als solche, über den einzig „wahren“ Anarchismus nicht wieder aufleben lassen wollen. Der Anarchismus ist vor allem deshalb so fruchtbar für uns, weil er uns auch genügend Potential zur Selbstkritik an die Hand gibt. Hehre und abstrakt klingende „Lehrsätze“ und Begriffe haben auch immer praktische Aspekte, die sich zur Reflexion und Selbstkontrolle auf das eigene Handeln anwenden lassen.
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„Auf den einzelnen Menschen kommt es an“ (Individualität und Selbstbestimmung)
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„Das Zusammenkommen der Menschen aus Lust aneinander und nicht aus (Profit)-Kalkül“ (freie Assoziation und Gegenseitige Hilfe)
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„Beim Zusammenkommen nicht in eine Einheit verschmelzen, sondern die Vielfalt bewahren“ (Föderation)
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„Das Ganze hat seinen Teilen nichts reinzureden bei Angelegenheiten, die nur sie selbst etwas angehen“ (Autonomie)
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„Übergroße Gesellschaftsstrukturen wieder auf ein menschliches Maß bringen, die eigenen Zusammenhänge überschaubar halten“ (Dezentralisation).
Das A in unserem Namen bedeutet also: Dezentralisation, Föderation und Autonomie der „Kleinen Einheiten“. Und weiterhin, daß wir ebenso ökologische Produktionsweisen wie herrschaftslose Lebens- und Politikformen anstreben. Ziel ist immer noch eine Gesellschaftsveränderung, allerdings wohl eher langsam, gewaltfrei – soweits geht – und von unten nach oben, von der Peripherie zum Zentrum und vom Kleinen zum Großen. Ein Vernetzungsmodell ist das „Projekt A“, weil es ihm nicht nur um sich selbst geht. Weil die Konzepte beispielhaft, unsere Versuche beispielgebend gemeint sind. Es geht ganz ausdrücklich nicht darum, eine einzige große Einheit zu errichten, wo alles auf einem Haufen zu finden ist, sondern darum, bereits bestehende Einheiten zusammenzubringen, ohne daß sie ihre Autonomie aufgeben müßten. Wenn wir im Zusammenhang von Vernetzung von „Vermittlung“ von Leben, Arbeit und Politik reden, heißt das, daß die extremen Gräben zwischen diesen Bereichen als ein Problem erkannt werden, für das andere, neue Lösungen gefunden werden müssen. Vernetzung zwischen Einzelnen und Gruppen plus „Ver-Netzung der Gesellschaft“ lautet unser Ziel. Uns geht es nicht um die Vernetzung unserer Gettos. Wir wollen unsere „Netze“ durch die ganze Gesellschaft legen und so knüpfen, daß viele verschiedene Menschen damit in Kontakt kommen, einsteigen, aber auch wieder aussteigen können. So hoffen wir, vermeiden zu können, daß die Scheidelinie zwischen uns und denen zu einer unüberwindlichen Mauer wird. Auch für die Projektmacher und – macherinnen hätte eine solche Struktur Vorteile: Nämlich, daß man nicht gar zu sehr im eigenen Saft schmort, daß man hin und wieder von außen vorgeführt bekommt, daß mensch nicht der Nabel der Welt ist und daß der Konflikt, der einen gerade beschäftigt, nicht das zentrale Problem der Menschheit darstellt. Das „Projekt A“ fiel als Modell in Neustadt an der Weinstraße auf äußerst fruchtbaren Boden. Den Leuten dort, die mit dem „Projekt A“ in Berührung gekommen waren, war meist von vorneherein klar gewesen, daß sie niemals in die „Stadt X“ ziehen würden. Waren sie vorher schon rege und aktiv in der neustädtischen Alternativszene vertreten, so wurde ihrer Motivation und Überzeugungskraft mit dem „Projekt A“-Modell eine entscheidend neue Ausrichtung gegeben. Seit 1989 besteht das „Werk Selbstverwalteter Projekte und Einrichtungen“ (WESPE). Es wird versucht, selbstverwaltete, dezentrale, ökologische und libertäre Strukturen aufzubauen und miteinander zu vernetzen, die wirtschaftlich, kulturell und politisch wirken. Libertäre Lebensformen als praktische Anarchie im Alltag sollen so auch breiteren Schichten zugänglich werden. In der WESPE gibt es bisher 14 Betriebe, ein Dutzend Wohngemeinschaften und eine Reihe von Initiativen, in denen etwa 100 Erwachsene und viele Kinder bunt miteinander vernetzt sind. Kontakt: WESPE e.V., Friedrichstr. 36, 67433 Neustadt, Tel. 06321 – 35129, FAX 06321 – 34701 (Vor Besuchen bitte anmelden!) Allerdings: Neustadt soll nun nicht als die letztlich doch noch gefundene „Stadt X“ gelten – die Neustädterinnen selber wollen das auch gar nicht. Wenn wir dennoch relativ oft „Neustadt“ im Munde führen, dann als eine Art praktisch-realen Fluchtpunkt, der verdeutlichen kann, was mensch z.B. gegenüber „herkömmlichen“ Projekten der Alternativ-Szene alles anders, vielleicht sogar besser machen kann, wenn mensch nur die richtigen Leute und Konzepte zusammen hat. Was es noch so alles gibt, was sich „Projekt A“ nennt: Ein bis zwei Bundestreffen pro Jahr, wo sich die über die ganze Republik verstreuten aktiven PA-Interessierten treffen, koordinieren und beraten. Zusätzlich dazu ist ein „PA-Spektakel entstanden, eine Art Festival, wo sich das große libertäre, projektorientierte Spektrum mit den PAlerInnen zusammenfindet, um ein paar Tage lang Informationen zu sammeln oder weiterzugeben und einfach viel Freude zu haben. Außerdem gibt es trotz wechselvoller Geschichte immer noch das AHA!, das „Projekt A“-Bulletin. Bernd